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Wilhelm Heim

Über das Gefühl "eine Belastung zu sein"


Vor vielen Jahren ereignete sich folgende Situation. In einem Wohnzimmer saß ein kleines Kind auf dem Sofa. Seine Mutter kam und wollte, dass dieses Kind irgendetwas tut. z.B. den Tisch im Esszimmer decken. Es wollte aber lieber Muppetshow schauen und schaltete auf stur. Auch mit gutem Zureden schaffte es die Mutter nicht, das Kind zu überzeugen. So fing die Mutter an, bitterlich zu weinen und zu klagen, was sie doch alles für das Kind und seinen Bruder getan habe. Jetzt mache es die Mutter mit seinem Verhalten sehr traurig. Die Mutter weinte weiter. Das Kind fühlte sich plötzlich als Belastung, hatte ein schlechtes Gewissen und tat nun artig, was die Mutter forderte. Weil es ein großes Schuldgefühl hatte, beteuerte es auch, ab jetzt immer alles zu machen, was man vom ihm verlangte. Und es wurde ein sehr liebes und folgsames Kind, das keine Probleme mehr machte.

Vor ein paar Tagen ereignete sich folgende Situation: Das Kind von damals schnitt sich (aus eigener Schuld und mangelnder Sicherheitsvorkehrungen) bei Handwerkerarbeiten im Garten mit einer Kettensäge in die Hand/den Daumen. Es folgten Notaufnahme im Krankenhaus, neun Stiche, um die klaffende Wunde zu nähen. Der ärztliche Rat bestand darin, zwölf Tage die Hand zu schonen, damit die Wunde ohne Infektion und weitere Komplikationen verheilen kann.

In einem Zwei-Personenhaushalt mit vier Hunden, zwei Katzen, vier Hühnern, einem renovierungsbedürftigem Haus, einer Vollzeitstelle sowie einer Hundeschule und Hundebetreuung ist der Ausfall einer Hand kein Glücksfall, um sich der Bedeutung von Entschleunigung bewusst zu werden. Und wenn das inzwischen erwachsene Kind im letzten Jahr mit schweren Depressionen kämpfte, dann stellt das eine schwierige Situation dar. Um es genau und deutlich zu sagen: Ich war am Arsch und fühlte mich als eine Belastung für meine Frau, die sich jetzt auch noch um mich kümmern musste. Von der Hilfe war ich zur Belastung geworden.

Die psychische Verknüpfung der beiden geschilderten Situationen hatte ich nicht kommen sehen und war letztlich unabwendbar. Sie führte zu einem "Panikanfall" vom Feinsten. Psychische und körperliche Ausfallerscheinungen bis hin zum temporären völligem Weggetretensein waren zwei Stunden lang die Folge. Meine Frau kämpfte zwei Stunden mit einem völlig ausgetickten Mann, der nicht mehr bei sich war.

Ich möchte die Situation und bestimmte Kausalketten nicht im einzelnen schildern, sie war und ist grausam genug und gibt viel Stoff zum Nachdenken. Ich habe den Kettensägenunfall und seine Folgen in Bezug auf meine Depression völlig unterschätzt.

DANKE

Wenn du dies liest, Maren: Ich danke dir für deine Beharrlichkeit, all deine Gefühle, deinen Mut, mit mir diesen Weg zu gehen. Ich fühle deine Liebe.

Ich danke auch meiner Therapeutin, die mir mit einem außerplanmäßigen Telefongespräch geholfen hat und mich zu mir zurückgeholt hat- Sie hat mir mit ihrem analytischen Sachverstand geholfen, den Zusammenhang zwischen den beiden obigen Situationen herauszufinden und daran weiter zu arbeiten. Auch Ihnen einen großen Dank, dass Sie mich auf diesem Weg begleiten.

Wenn du das liest, Larissa: Danke, dass du einen Menschen mit schweren manchmal schwer verständlichen Depressionen nicht ablehnst.


Fazit

Sich als Belastung zu fühlen und damit keine Leistung erbringen zu können, führte - wie durch einen Schalter umgelegt - zu einem tiefgreifendem Gefühl der Wertlosigkeit des eigenen Lebens. Die Formulierung des Glaubenssatzes "Meine Gesundheit ist mir wichtig und ich bin es mir wert, nichts zu tun." ist immer noch schwer anzunehmen und bedeutet für mich harte Arbeit (mit etwas Nachsicht) an mir selbst und mit mir selbst.


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